Tipps zur Angebotseinholung mithilfe des Lastenhefts, Angebotsbewertung und der Auftragsvergabe.
Überblick
Entscheidung für einen Vergabe-Modus
Als privatwirtschaftliches Unternehmen haben Sie die freie Wahl, wie Sie einen Auftrag vergeben.
Vergabe an einen bekannten Anbieter
Wenn Sie gute Erfahrungen mit einem Anbieter haben, sein Angebot passt und der Auftragswert eher gering ist, dann ist die direkte Vergabe der sinnvollste Weg.
Angebote vergleichen
Nur der Vergleich macht sicher.
Mehrere Angebote zu vergleichen ist der sicherste Weg, das beste Angebot zu finden.
Gehen Sie dazu wie folgt vor:
- Suche nach vielversprechenden IT-Lösungen und Anbietern
- Kontaktieren der Anbieter mit der Aufforderung zur Angebotslegung
- Erhaltene Angebote bewerten
- Verhandlungsphase
- Auftragsvergabe an den Bestbieter
Öffentliche Ausschreibung
Eine öffentliche Ausschreibung wird meist nur von Behörden oder staatsnahen Unternehmen durchgeführt.
Die Vorgangsweise für eine öffentliche Ausschreibung als zweistufiges Verfahren:
- Veröffentlichung der Ausschreibung auf einem Vergabe-Portal
- Anbieter bekunden Ihre Teilnahme
- Erste Stufe: Potente Anbieter selektieren (Anbieter-Eignung)
- Zweite Stufe: Anbieter erhalten Unterlagen zur geforderten Lösung und legen ein Angebot
- Erhaltene Angebote bewerten
- Verhandlungsphase
- Auftragsvergabe an den Bestbieter
Tipp: Eine öffentliche Ausschreibung bedeutet deutlich mehr Aufwand, aber nicht unbedingt mehr Auswahlmöglichkeit und ist daher für KMU nicht empfehlenswert.
Anbieter finden
IT-Lösungsanbieter finden Sie am besten mit
- Internet-Recherche
- Besuch von Fachmessen
- Umfragen bei Branchenkollegen.
Dokumente zur Angebotseinholung
Anschreiben
Das Anschreiben soll den Anbietern Informationen zur gewünschten Lösung, Rahmenbedingungen und Erwartungen an das Angebot geben. Ein gutes Anschreiben motiviert die Anbieter dazu, ein Angebot zu erstellen.
Inhalte des Anschreibens:
- Kurzbeschreibung des Vorhabens und Zielsetzung (siehe Projektauftrag)
- Aufforderung zur Angebotslegung mit Termin und Art der Angebotsabgabe (E-Mail, schriftlich, persönlich)
- Ggf. Vertraulichkeitsvereinbarung (Geheimhaltungserklärung – ein Muster finden Sie hier)
- Geplanter Ablauf der Auftragsvergabe, z.B.
- Angebotslegung
- Erste Bewertung zur Ermittlung einer Shortlist
- Produktdemonstration, Referenzbesuch
- Verhandlung
- Finale Angebotsversion
- Schlusswertung und Vergabe
- Grober Ablauf der Implementierung, z.B.
- Geforderter Inhalt des Angebots, z.B.
- Informationen zum angebotenen Produkt (Datenblätter, Handbücher)
- Ausgefüllte Matrix zur Erfüllung der Anforderungen
- Ausgefülltes Preisblatt
- Antworten zur Frageliste
- Nachweise wie
- Gewerbeberechtigung
- Firmenbuchauszug
- Bonitätsauskunft
- Strafregisterbescheinigung
- Zertifikate (QM, IT-Security etc.)
Vorlagen
Download “Vorlage Angebotseinholung ohne Geheimhaltung” Angebotseinholung-Vorlage.docx – 65,74 kB
Anforderungskatalog und Erfüllungsmatrix
Das Lastenheft/der Anforderungskatalog (siehe Definition der Anforderungen) wird dem Anschreiben zur Angebotseinholung beigelegt.
Weiters legen Sie eine Matrix zur Erfüllung der Anforderungen bei, um den Angebotsvergleich zu erleichtern.
Inhalt der Erfüllungsmatrix:
- Liste der Anforderungen (Titel/Referenz), ggf. mit Priorisierung „Muss“/“Kann“ und Gewichtung
- Spalte, zur Bewertung der Erfüllung der einzelnen Anforderungen durch den Anbieter
- voll erfüllt
- teilweise erfüllt
- nicht erfüllt
Es bleibt Ihnen überlassen, ob Sie die Muss/Kann-Einstufung (siehe Definition der Anforderungen) bzw. eine Gewichtung der einzelnen Anforderungen (siehe Angebotsbewertung) bereits in dieser Matrix veröffentlichen wollen. Eine Veröffentlichung sorgt für Transparenz. Manche Anbieter verleitet es jedoch zum „schönreden“ der Erfüllung von wichtigen Anforderungen.
Vorlagen, Beispiele
Eine Lastenheft-Vorlage finden Sie unter Definition der Anforderungen (Lastenheft)
Frageliste
Eine Liste von Fragen an den Anbieter:
- Werden Subunternehmen oder Bietergemeinschaften (ARGE) eingesetzt?
- Struktur der Support-Organisation
- Namen und Qualifikation der Personen, welche die Implementierung vornehmen werden
- Liste an vergleichbaren Projekten (Referenzprojekte)
- Fragen zur Umsetzung von Anforderungen, welche sie nicht konkret formulieren können
Preisblatt
Um mehr als nur eine Summe als Angebotspreis zu erhalten, sollten Sie eine Preisblatt-Vorlage beilegen.
Mögliche Gliederung des Preisblatts:
- Hardware-Positionen
- Software-Lizenzen
- Dienstleistungen
- Projektmanagement
- Feinspezifikation
- Basis-Installation
- Schnittstellen-Implementierung
- Konfiguration
- Schulung
- Intensivbetreuung bei der Produktivnahme
- Updates und Support (Support-Vertrag)
- Preis für Support im ersten Jahr
- Preis für die Folgejahre
- ggf. separate Preise für Updates und Supportleistungen fordern
- Weiteres
- Reisekosten, Spesen
- Stundensatz für weitere Leistungen im Rahmen der Implementierung (Changes)
- Stundensatz für Leistungen über den Support-Vertrag hinaus (Unterstützungsleistungen im Betrieb)
- Optionale Positionen
- Mögliche Erweiterungen
- Verbrauchsmaterial
Beispiel
Download “ERP-Neu Preisblatt” ERP-Neu-Preisblatt-1.xlsx – 13,04 kB
Bewertung von Bietern und Angeboten
Zuerst bewerten Sie die erhaltenen Angebote hinsichtlich:
- Vollständigkeit
- Erfüllung der Muss-Kriterien
Nach dieser Erstbewertung können Sie einige Angebote gleich ausscheiden:
- Unvollständige Angebote
- Angebote, die Muss-Kriterien nicht erfüllen
Wenn danach die Anzahl der Angebote zu gering ist, dann sollten Sie die Anbieter bzgl. der „Probleme“ kontaktieren und um die Nachlieferung der fehlenden Informationen bitten.
Die übrigen Angebote bewerten Sie anhand der vom Bieter ausgefüllten Erfüllungsmatrix. Konsolidieren Sie dazu erst alle Anbieter-Listen in eine Excel Datei zu internen Bewertung.
Bewertungsmatrix
Zur Bewertung benötigen sie eine gewichtete Punktezahl pro Anforderung.
Ein Beispiel finden Sie in diesem Download:
Shortlist
Wenn Sie die Bewertung abgeschlossen haben, wählen Sie 2-3 der Anbieter mit den meisten Punkten für die weitere Verhandlung aus (Shortlist).
Für die Anbieter auf der Shortlist sollten Sie auch Soft-Facts prüfen, z.B.:
- Kompetenz, Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit des
Anbieters - Passt die menschliche Interaktion (auch mit den
Menschen, welche die Implementierung durchführen werden)? - Wie einfach ist die IT-Lösung zu bedienen?
- Welchen qualitativen Eindruck hinterlässt die
Lösung? - Wie zufrieden sind bestehende Kunden mit der
Lösung und dem Anbieter? - Wie reagiert der Anbieter auf neue
Anforderungen und Änderungen?
Diese Soft-Facts können Sie am besten überprüfen durch:
- Persönliche Präsentation der IT-Lösung durch
den Anbieter - Besuch eines oder mehrerer Referenzkunden
- Teststellung der IT-Lösung
Verhandlungsphase
In den Verhandlungsgesprächen klären Sie die noch offenen Punkte und versuchen, das Angebot zu Ihren Gunsten zu verbessern.
Dokumentieren Sie die Aussagen des Bieters und die Verhandlungsergebnisse in Verhandlungsprotokollen und senden Sie diese auch an den Bieter.
Tipps zur Preisverhandlung, wenn der Bieter nicht nachgibt:
- Kostenlose Zusatzleistungen einfordern: mehr fürs gleiche Geld
- Anforderungen reduzieren: nice-to-have Anforderungen streichen
- Pönalen streichen: Der Anbieter muss dafür einen Risikoaufschlag einrechnen. Um diese Aufschläge zu reduzieren, sollten Pönalen nur für gravierende Auswirkungen vereinbart werden.
Wenn Sie bei einem Bieter den Leistungsumfang (Anforderungen, Pönalen) reduzieren, dann sollten Sie das für den anderen Bieter auch tun, um die Vergleichbarkeit der Angebote sicherzustellen.
Am Ende der Verhandlungsphase sollten Sie von allen Shortlist-Anbietern ein finales Angebot mit dem gleichen Leistungsumfang haben und keine wesentlichen Fragen zu den Angeboten mehr offen sein
Auftragsvergabe
Den Bestbieter ermitteln Sie durch Bewertung der finalen Angebote mit folgenden Kriterien:
- Ergebnis der Bewertung zur Erfüllung der Anforderungen
- Preis
- Subjektive Bewertung der Soft-Facts
- Geschäftsbeziehung (nur in der Privatwirtschaft möglich), z.B.
- Anbieter ist Kunde Ihres Unternehmens oder anderweitig partnerschaftlich verbunden
- Potenzielle Gegengeschäfte
Zum Abschluss der Auftragsvergabe erstellen Sie einen Liefervertrag mit dem Bestbieter.
Informieren Sie die anderen Bieter, dass der Auftrag nun an einen Anbieter vergeben wurde und bedanken Sie sich für die Angebotslegung.